Verwerfung und Gottes Wohlgefallen (2)
Diejenigen, die ein gnädiges und wohlmeinendes Evangelium lehren, wollen auch keine souveräne Verwerfung. Die seltsame Verteidigung der Verfechter des wohlmeinenden Angebots, ist keine fromme Verteidigung des Evangeliums, diese Verfechter sind auch nicht an wahrer Evangelisation interessiert, ihre Fehde richtet sich gegen die Lehre der Verwerfung. Ein souveräner Gott, der sein Wohlgefallen sowohl in der Erlösung der Erwählten als auch in der Verdammnis der Verworfenen hat, ist bei ihnen nicht erwünscht. Sie sind gewillt, Letzteres im Interesse eines Gottes zu verkaufen, der alle Menschen liebt und ihre Erlösung sucht.
Jemand mag einwenden: „Wie kann Gott seinen souveränen Beschluss der Verwerfung ausführen und dennoch aufrichtig und ernsthaft darauf bestehen, dass alle Menschen von ihren Sünden Buße tun und an Christus glauben?” Oder, um es unverblümt auszudrücken: „Wie kann Gottes ewiger Ratschluss und ewige Absicht souverän in der Verdammung der Gottlosen verwirklicht werden und wie kann es trotzdem gleichzeitig wahr sein, dass Gott keinen Wohlgefallen am Tod des Gottlosen hat (Hes. 33,11)?
Diese Art von Fragestellung bringt die ganze Angelegenheit auf ein anderes Level. Hierbei dreht es sich nicht länger um die Richtigkeit oder Falschheit eines gnädigen und wohlmeinenden Evangeliumsangebotes. Das wohlmeinende Evangeliumsangebot hat keinen Platz in reformiertem Denken. Die Frage lautet daher vielmehr folgendermaßen: Wie kann ein souveräner Gott den Ratschluss ausführen, den er von Ewigkeit her beschlossen hat und den Menschen für seine Sünden dennoch die Verantwortung tragen lassen? Dies ist eine vollkommen andere Frage, und um genau zu sein, hat die Kirche mit dieser Frage seit der Zeit von Augustinus (354-430) zu kämpfen. Luther beantwortet diese Frage in seinem Buch Vom Unfreien Willen. Calvin behandelt diese Frage in seiner Abhandlung über Gottes ewige Prädestination. Diese Frage wird auch in den Dordrechter Lehrsätzen adressiert.
Daher werde ich nun aus den Dordrechter Lehrsätzen zitieren. Im Schlussteil dieser beantworteten die Väter in Dord einige bösartige Anklagepunkte, die von den Arminianern gegen die Lehren der Dordrechter Lehrsätze, bezüglich der Wahrheit souveräner Prädestination, hervorgebracht wurden. Einer der Einwände, die von den Arminianern erhoben wurde, war, dass die Lehre der souveränen Prädestination (besonders Verwerfung) Gott zum Autor der Sünde macht. Obwohl diese Anklage in den Lehrsätzen angemessen zurückgewiesen wird, wird sie im Schlussteil noch einmal abgelehnt. Dort können wir folgende Aussage lesen: „[Die Synode weist die Anklage zurück, dass Prädestination lehrt, dass] Auf dieselbe Weise, wie die Erwählung die Quelle und die Ursache des Glaubens und der guten Werke sei, so sei die Verwerfung die Ursache des Unglaubens und der Unfrömmigkeit.”
Die Bedeutung ist klar. Dord sagte, dass Erwählung „die Quelle und die Ursache des Glaubens und der guten Werke” sei. Das ist eine starke Ausdrucksweise, auf die Dord hier beharrt. Doch gleichzeitig macht Dord auch klar, dass Verwerfung nicht „auf dieselbe Weise” die Ursache des Unglaubens ist, wie Erwählung die Quelle und Ursache des Glaubens. Mit anderen Worten, Verwerfung, obgleich souverän, ist nicht die Ursache des Unglaubens. Die Lehrsätzesagen richtig: „ß viele, die durch den Dienst des Evangeliums berufen sind, nicht kommen und sich nicht bekehren, davon liegt die Schuld nicht im Evangelium oder in Christus, der uns durch das Evangelium dargeboten wird, noch in Gott, der durch das Evangelium beruft und verschiedene Gaben mitteilt, sondern an den Berufenen selbst, (…)” (III/IV, 9).
In der Geschichte reformierter Theologie haben Strenggläubige immer die Wahrheit geäußert, dass Gott souverän ist und der Mensch gleichzeitig auf folgende Art verantwortlich bleibt: Gott führt Verwerfung souverän auf dem Weg des Unglaubens der Menschen aus. Dord weist die Vorstellung zurück, dass Verwerfung die Ursache von Unglauben ist. Außerdem weist Dord den Irrtum zurück, dass Verwerfung aufgrund von Unglauben geschieht, eine Ansicht, die Unglauben zum Grund für Gottes Verwerfung macht. Daher wurde und wird diese Ausdrucksweise verwendet: Gott vollzieht seinen ewigen Ratschluss der Verwerfung souverän auf dem Weg des Unglaubens. Mit dieser Ausdrucksweise wird Gottes Souveränität aufrechterhalten und die Verantwortung des Menschen beibehalten.
Einige mögen behaupten, dass dies schwer zu verstehen ist. Stimmt. An dem Punkt, an dem Gottes Wille den Willen des Menschen auf eine Weise berührt, dass Gottes Wille ausgeführt wird und der Mensch vor Gott verantwortlich bleibt, stehen wir einem großen und wunderbaren Werk Gottes gegenüber, das über unser Verständnis geht.
Doch unsere Unfähigkeit dieses Werk Gottes zu verstehen ist letztlich nicht überraschend. Welche Werke Gottes verstehen wir denn überhaupt? Keins von ihnen! Wir verstehen nicht wie ein Baby im Mutterleib gezeugt und geformt wird und zu einem neuen Menschen mit einer Seele oder einem Geist heranwächst. Wir verstehen nicht wie ein Grashalm auf dem Feld wächst, denn wir verstehen nicht das Prinzip des Lebens, welches dies möglich macht. Wir verstehen nicht, wie Gott jeden einzelnen Tropfen unseres Blutes in unseren Venen und Arterien durch seine souveräne und allgegenwärtige Macht und Gottheit bewegt. Wir sind schwach und klein. Wir wissen fast gar nichts von der Größe Gottes. Wir stehen in Ehrfurcht vor dem einfachsten seiner Werke. Wir verbeugen uns in demütiger Verehrung vor seiner Majestät.
Daher bleibt ein Problem in unserem Verständnis vom souveränen Werk des Evangeliums bestehen. Diese Schwierigkeit darf selbstverständlich kein Grund sein, die Wahrheit zu korrumpieren. Wir wissen mit absoluter Gewissheit, dass der Gott der souveränen Erwählung und Verwerfung nicht das Verlangen und das Sehnen danach hat, alle Menschen zu erlösen. Wir verbeugen uns vor der Schrift, die klar lehrt, dass Gott in Jesus Christus einen Willen hat, gemäß welchem er alles zu seinem Wohlgefallen ausführt. Wir wissen zu unserer ewigen Schande, dass wir für jede Sünde, die wir begehen verantwortlich sind und die ewige Hölle verdienen. Wir wissen, dass wir die Verantwortung für unsere Sünden nicht vor Gottes Füße legen können, weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt. Alle Gottlosen in der Hölle werden bekennen, dass sie wegen ihrer Weigerung, ihre Sünden zu bereuen, in der Hölle sind. Die Gerechten werden für immer über die Größe von Gottes Gnade und Erbarmen erstaunt sein, die in Jesus Christus offenbart wurde und uns armen Sündern solch eine Ehre verliehen hat.
Theodizee ist das Ziel aller Historie: nämlich, dass Gott in allem was er tut gerecht gesprochen und in all seinen Werken gerechtfertigt wird. Seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit wird in der ewig währenden Strafe der Gottlosen Gerechtigkeit getan werden; seine gnadenreiche Erlösungsgabe ist in Jesus Christus verherrlicht, in welchem allein wir unsere Erlösung haben. Gott ist Gott. Ihm gebührt alle Ehre und Anbetung für immer, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Prof. Hanko
Antithetisches Leben und Zeugnis geben
Bezogen auf den gesegneten Mann aus Psalm 1, der „nicht wandelt nach dem Rat der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt, wo die Spötter sitzen” sagt ein Leser: „Ich muss verstehen was das „wandeln, sitzen und auf den Weg treten” bedeutet, das wir mit den Ungläubigen nicht tun sollen (…) Darauf kommt es doch in unserem täglichen Bezeugen an. Wo ziehen wir die Linie in Beziehungen auf der Arbeit, mit Nachbarn usw?”
Das ist eine gute Frage, die geradewegs die reformierte Lehre der Antithese involviert: Die unüberbrückbare, spirituelle Kluft zwischen den Gottlosen und Gottes Kindern im Bund, die existiert, weil die Gottlosen die Kinder ihres Vaters des Teufels sind, dessen Werke sie tun. Gottes Volk hingegen ist erneuert und dazu berufen aus Gnade heraus als Kinder des Lichts in dieser Welt zu leben, die Gottes Sache — den Bund — in dieser Welt repräsentieren.
Das Problem besteht darin, dass wir in dieser Welt sind, wenn auch nicht von dieser Welt, wie Christus es formuliert (Joh. 17,15-16). Wir stoßen mit den Ungläubigen in jedem Aspekt des Lebens zusammen. Gottlose und Gerechte arbeiten zusammen im selben Geschäft oder Büro. Gottlose und Gerechte kaufen und verkaufen in denselben Geschäften. Gottlose und Gerechte stehen in Bezug zueinander, einige in nahen, andere in weiter entfernten Beziehungen.
Dieses Problem hat die Aufmerksamkeit von Theologen seit vielen Jahrhunderten — sogar Jahrtausenden — erregt. Die römisch katholische Lehre hat traditionell gelehrt, dass eine Trennung von dieser Welt der Weg für Christen ist, die Antithese zu bewahren. Habe nichts mit der Welt zu tun! Verkrieche dich in ein Kloster und wage dich nur in der Nacht nach draußen und das auch nur, wenn es absolut notwendig ist, doch husche schnell in die Sicherheit der Zelle zurück, so dass der Kontakt mit der Welt dich ja nicht beschmutzt. Das ist der Weg zur Heiligkeit. Die frühen Anabaptisten vertraten weitestgehend dieselbe Auffassung.
Andere versuchen das Problem zu umgehen, indem sie von einer „allgemeinen Gnade” sprechen, die allen Menschen gegeben ist und Christen in die Lage versetzt, Gemeinschaft mit den Gottlosen in der Welt zu haben und sich in gemeinsamen Projekten mit ihnen zu engagieren. So lange beide dieselben Ziele verfolgen (das Wohlergehen des arbeitenden Menschen, die Abschaffung der Abtreibung, den Kampf gegen Homosexualität, die Überwindung von Armut etc.), ist es erlaubt und sogar wünschenswert in dieser Art von Arbeit zu kooperieren.
Die biblische und reformierte Lehre der Antithese verurteilt beide Ansichten und ruft Gottes Volk zu höheren Bereichen des Dienstes auf. Der Schlüssel zum Leben in der Antithese besteht darin, ein Zeugnis des eigenen Glaubens in der Welt zu sein. Die Antithese wird klar und deutlich in Psalm 1; 5 Mose 33,28; 2 Chr. 19,2; 2 Kor. 6,14-7 und vielen anderen ähnlichen Passagen gelehrt. Doch der Ruf an Gottes Volk ergeht auch folgendermaßen: „So soll euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen”(Matt. 5,16). In der Tat an diesem Punkt „kommt es darauf an”.
Christliche Freiheit gewinnt hier an Bedeutung. Wie einer sein Licht vor den Menschen scheinen lässt, bedeutet sicher etwas anderes für jemanden, der in der Armee dient, als für einen, der einen ungläubigen Ehepartner hat. Sicherlich unterscheidet sich die Art und Weise wie ein christlicher Arzt sein Licht vor den Menschen scheinen lässt von jemandem, der sich in einem Arbeitsumfeld befindet, wo Gotteslästerung und schmutzige Sprache an der Tagesordnung liegen. Jeder muss für sich selbst, in seiner eigenen Situation und Berufung, bestimmen wie er sein Licht vor den Menschen scheinen lässt.
Erstens, habe niemals, niemals, Anteil mit ihnen an Babylons bösen Werken (Off. 18,4): Nimm niemals Anteil an Bösem. Wir dürfen auch nicht mit anderen Christen an bösen Dingen teilhaben und auch nicht in unserem privaten Leben, wenn nur Gott sehen kann was wir tun. Wir müssen dies nicht nur ablehnen, wenn wir gefragt werden, sondern auch erklären, warum wir ablehnen und auf Gottes Wort und dessen Ruf deuten.
Außerdem müssen unsere Guten Werke beständig und sichtbar sein. Unsere guten Werke leuchten vor den Menschen, wenn wir niemals fluchen, den Sabbat nicht entweihen, niemals schmutzige Sprachausdrücke verwenden und niemals über Obrigkeiten lästern. Unsere guten Werke leuchten vor den Menschen, wenn wir tun was richtig ist: Gottes Segen vor den Mahlzeiten erbitten (auch auf der Arbeit!), unsere Ehefrauen und Kinder lieben, am Tag des Herrn zur Kirche gehen, sogar im Leid glücklich und heiter sind, nur Worte der Anteilnahme, Freundlichkeit, Liebe und Vertrauen in Gott sprechen. Petrus erinnert uns, dass wenn unser Licht vor den Menschen scheint, sie uns nach der Hoffnung, die in uns ist, fragen werden. Wenn sie dies tun, so sollen wir jederzeit bereit sein, eine gute Verteidigung für unseren Glauben abzulegen; Petrus bezeichnet dies als Rechenschaft ablegen (1.Petrus 3,15).
Dies bedeutet, dass wir bereit sein müssen, immer und schnell von unserem Glauben und unserer Hoffnung zu sprechen. Diesbezüglich gibt es zwei Seiten: Eine Seite beinhaltet, dass wir die Gottlosigkeit, die um uns greift, verurteilen. Wir sagen den Leuten, dass es Sünde ist, den Namen Gottes zu missbrauchen und dass Gott so einen Menschen nicht schuldlos hält. Wir verteidigen die Heiligkeit der Ehe und der Reinheit des Lebenswandels und unserer Redeweise. Wenn wir dies tun, müssen wir solche Menschen zur Buße und zum Glauben an Christus aufrufen. Wenn wir unsere Nachbarn wie uns selbst lieben, dann wollen wir, dass sie gerettet werden, und Erlösung kommt durch das Bereuen von Sünde und durch den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus.
Mein Vater erzählte mir von einem Christen, der über seine Verfolgung aufgrund seines Zeugnisses am Arbeitsplatz und seiner daraus folgenden Kündigung klagte. Während des 2. Weltkrieges arbeitete er an einem Fließband, an dem Panzer hergestellt wurden. Als er gedrängt wurde genaueres zu erzählen, gab er zu, dass er an dieser Produktionslinie auf und ab ging, um seinen Mitarbeitern ein Zeugnis zu geben. Ihm musste gesagt werden, dass er zuallererst ein Zeugnis darin hätte sein müssen, so hart wie möglich zu arbeiten. So war sein Zeugnis nur eine Farce und seine Kündigung war keine Verfolgung, sondern was er verdiente. Dennoch, wenn Verfolgung das Resultat unseres Zeugnisses ist, müssen wir dies als ein Zeichen unserer Knechtschaft in Christus tragen.
Unser Zeugnis ist keine endlose Tirade über Religion, denn dann werfen wir Perlen vor die Säue (Matt. 7,6). Doch wir dürfen kein Stillschweigen bewahren, wenn wir sprechen sollten. Unsere Verpflichtungen in unserer Berufung sind erfüllt, wenn all diejenigen, mit denen wir in Kontakt kommen, wissen, dass wir Christus dienen und ihn lieben. Wenn sie wissen, dass wir gemäß der Schrift glauben und leben und wissen, was ihre eigene Pflicht Gott gegenüber ist.
Jeder muss dies an seinem eigenen Platz im Leben tun. Jeder muss dies, wie Petrus uns erinnert „mit Sanftmut und Ehrerbietung” (1. Petrus 3,15) tun. Jeder muss dies auf eine Weise tun, die Gott verherrlicht, denn wenn andere unsere guten Werke sehen, muss unser Vater im Himmel dadurch verherrlicht werden.
Der Mann, der im Restaurant umhergeht und jeden Gast fragt, ob er gerettet sei, während er selbst nicht zum Gottesdienst geht und seine Kinder nicht im Glauben unterweist, ist ein armes Zeugnis und fügt der Sache Gottes oftmals mehr Schaden zu als der Ungläubige.
Wir sollen unseren Nachbarn lieben; unser Nachbar ist derjenige, der an unserer Seite steht und manchmal unsere Hilfe benötigt. Gott hat ihn dort hingestellt, damit auch er seinen Ruf erkennt. Ob er letztlich seine Sünden bereut oder nicht ist irrelevant; Gott hat seine Absichten. Das Ziel all dessen ist, dass Gott verherrlicht und gepriesen wird, sei es durch das Werk der Erlösung oder durch das Werk der gerechten Bestrafung der Gottlosen. Prof. Hanko
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