Ronald Hanko
Eine der uns am demütigsten machenden Wahrheiten, die die Bibel uns lehrt, ist, dass Gott unabhängig und selbstgenügsam ist. Er braucht nichts außerhalb seiner selbst. Nicht nur, dass alle Dinge ihm gehören — das Vieh auf tausend Hügeln und alles andere auch — sie fügen auch nichts zu ihm hinzu. Wenn er nie etwas erschaffen hätte, wäre er dennoch vollkommen und vollkommen herrlich.
Genau diese Bedeutung wird in Römer 11,34-36 deutlich: „wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß es ihm wieder vergolten werde? von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Amen.”
Kein Mensch kann alles wissen, was im allwissenden Geist Gottes vor sich geht, und weil Gott allwissend ist, kann ihm niemand etwas sagen was er nicht schon völlig und von Ewigkeit her weiß. Er braucht uns nicht, um ihn zu informieren, auch nicht im Gebet.
Es kann Gott auch niemand etwas geben. Selbst wenn wir ihm Dank, Preis und Ehre „geben”, fügen wir nichts zu seiner Herrlichkeit hinzu. Auch die Errettung der ganzen Gemeinde fügt nichts zu seiner Herrlichkeit hinzu, sondern ist nur eine Offenbarung der Herrlichkeit, die er bereits in sich selbst hat. Er ist die Quelle, das Mittel und das Ziel aller Dinge.
Mehr als alles andere offenbart der großartige Name Jehova Gottes Selbstgenügsamkeit. Diesem Namen gemäß ist er das Ich Bin, das Alles in Allem.
Diese Wahrheit ist von besonderer Bedeutung in unserer Erlösung. Viele haben die Vorstellung, dass Gott ohne uns kein gnädiger Gott, ein Gott der Liebe und Gnade, sein kann. Sie denken, dass er uns braucht, um ein Gott der Liebe und Gnade zu sein. Einige würden sogar sagen, dass er kein Gott der Liebe sein kann, wenn er nicht alle Menschen liebt und allen gnädig ist. Das ist eine Verleugnung von Gottes Selbstgenügsamkeit. Wenn wir niemals erschaffen worden wären, wäre er immer noch ein vollkommen gnädiger, ein vollkommen liebender Gott. Uns erschaffend und in Sünde fallen sehend, wäre seine Herrlichkeit als ein gnädiger, liebender und barmherziger Gott nicht geringer, wenn er keinen einzigen retten würde.
Was für eine demütig machende Wahrheit dies doch ist. Wie sie doch die Gnade und Barmherzigkeit verherrlicht, die Gott uns gegenüber zeigt, wenngleich auch nur einigen. Was für ein großer Gott er doch ist!
Doch da ist noch mehr. Die andere Seite von Gottes Unabhängigkeit ist unsere Abhängigkeit — dass wir ohne ihn nichts aus uns selbst heraus haben, nichts aus uns selbst heraus tun können und nichts aus uns selbst heraus sind. Wie töricht wir doch sind, wenn wir danach trachten, getrennt von ihm zu leben! Wie töricht wir doch sind, wenn wir nicht auf ihn schauen und ihn für alles Notwendige für Leib und Seele bitten.
Lasst uns Gottes Selbstgenügsamkeit und unsere Abhängigkeit nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten bezeugen, indem wir ihm in allem vertrauen und ihn für das Wunder seiner Gnade und Barmherzigkeit preisen, das er solchen wie uns zeigt.
aus: Ronald Hanko, 2004: Doctrine According to Godliness. A Primer of Reformed Doctrine, S. 44f.
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